Internationale Bildungsstudie ICILS misst Computerkompetenzen

Achtklässler in Deutschland beim Umgang mit neuen Medien im Mittelfeld

Dieses titelt das Bundesministerium für Bildung und Forschung in einer Pressemitteilung vom 20. November 2014.

Pressemitteilungen und Interviews zur Studie lösten eine Erregungswelle aus.

Google-Suche zum Thema hier.

Manche Kommentare lassen vermuten, das die Studie bisher kaum gelesen wurde.

In der Pressemittlung des BMBF wird nicht definiert was mit Begriffen „Computerkompetenzen“ und „neuen Medien“ gemeint wird.

Wer auf Grund des Begriffes „neue Medien“ in der Studie konkrete Informationen zur Nutzung der aktuellen mobilen Geräten erwartet, wird enttäuscht.

Im Rahmen der Studie wurden zwar u.a. auch Daten zur Verfügbarkeit von Tablets erhoben, diese wird für Australien mit 63,6% im Vergleich zu Deutschland mit 6,5% angegeben. Die Ursache für dieses Missverhältnis wird nicht näher erläutert.

Angaben zur Verfügbarkeit und Nutzung von Smartphones fehlen.

Der Marktanteil der mobilen Geräte übersteigt um ein vielfaches den Marktanteil der traditionellen PCs ( s. u. a. hier ).

Die Schülerinnen und Schüler sollten Aufgaben am PC lösen. Bildschirmfotos im Studienbericht zeigen die Arbeitsoberfläche eines traditionellen Windows-PC. Weiter waren Fragebögen von Schülerinnen und Schülern, den Lehrpersonen sowie den Schulleitungen auszufüllen. Hier wurden Meinungen und Selbsteinschätzungen erfasst.

Auf Grund der raschen Entwicklung im IT-Markt sind leider Studien zu „Computerkompetenz“ nicht selten schon veraltet bevor diese durchgeführt, ausgewertet und veröffentlicht werden können. Die Studie, die 2010 begonnen wurde ( damals wurde das erste iPAD eingeführt ) sieht daher zum Teil schon recht alt aus.

Die Bildungsforschung ebenso wie die Bildungspolitik und demzufolge die Lehrer -ausbildung und -fortbildung aber auch die Schulentwicklung und Schulausstattung hinken der Entwicklung hinterher. Die Situation gleicht dem Wettlauf des Hasen mit dem Igel.

Im Rahmen der Fragen zur Ausstattung der Schulen wurde u.a. auch die Anzahl von Whiteboards ermittelt, diese Anzahl wird in Zahl pro Schule angegeben. Die Schule als Bezugseinheit ist wenig sinnvoll, da es größere aber auch kleine Schulen gibt. Für den Einsatz im Unterricht ist der Verhältnis Geräte zu Unterrichträumen relevant, ob also alle Unterrichtsräume oder nur ein Teil der Räume ausgestattet sind.

Die Angaben der Schulleitungen sowie der Lehrpersonen zur Einschätzung der Ausstattung der Schulen widersprechen sich erheblich, siehe hierzu die Seiten 168-169 der Langfassung der Studie.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass diejenigen, die mit der vorhanden Technik nicht arbeiten, diese für besser einschätzen, als diese Ausstattung tatsächlich ist.

Nach der Studie soll die Hauptverantwortung der IT-Koordination vielfach in der Zuständigkeit der Schulleitungen liegen. Diese kann jedoch nur Rahmen verfügbarer Mittel ausgeübt werde. Es wäre genauer zu untersuchen, welches Finanzvolumen jeweils unter welchen Auflagen die Schulleitungen in verschiedenen Länder zur Verfügung haben.

In Deutschland erfolgt nicht selten die Ausstattung der Schulen konzeptionslos und unkoordiniert. Es werden unterschiedliche Geräte von Schulträgern, Fördervereinen, Sponsoren und anderen zur Verfügung gestellt. Von den unterschiedlichen Lieferanten gibt es für die Nutzer meist nur geringe Unterstützung, da jeweils der billigste Lieferant bei den Ausschreibungen den Auftrag erhält. Die Aus- und Fortbildung der Lehrpersonen liegt überwiegend in der Verantwortung der deutschen Bundesländer und ist – wenn sie mit der Gerätebeschaffung nicht koordiniert wird – unzureichend konkret auf die unterschiedlichen Bedingungen in den Schulen abgestimmt.

Gegenstand der Studie sind folgende Kompetenzen (Zitat aus der Studienbeschreibung):

Das Konstrukt der computer- und informationsbezogenen Kompetenzen (computer and information literacy, CIL) besteht aus zwei Teilbereichen: Aus Informationen sammeln und organisieren (Teilbereich I) und Informationen erzeugen und austauschen (Teilbereich II).

Teilbereich I: Informationen sammeln und organisieren

I.1) Über Wissen zur Nutzung von Computern verfügen

I.2) Auf Informationen zugreifen und Informationen bewerten

I.3) Informationen verarbeiten und organisieren

Teilbereich II: Informationen erzeugen und austauschen

II.1) Informationen umwandeln

II.2) Informationen erzeugen

II.3) Informationen kommunizieren und austauschen

II.4) Informationen sicher nutzen

CIL vereint damit zwei wichtige Kompetenzen und zwar die technischen Kompetenzen (computer literacy) und die Fähigkeiten der Informationsverarbeitung (information literacy).

Die Datenverarbeitung erfolgte beim Data Processing and Research Center (DPC) in Hamburg einem Teil der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA), einer nichtstaatlichen gemeinnützigen Organisation, dessen ständiges Sekretariat seinen Sitz in Amsterdam hat. Die IEA ist ein Unternehmen nach belgischem Recht ( steuerfrei ).

Die Studie beschränkt sich im wesentlichen auf die „Computerkompetenz“ und analysiert diese nicht in Abhängigkeit zur Lesekompetenz und anderen Kompetenzen.

Den Studienbericht gibt es in einer deutschen Langfassung und für die Presse in einer Kurzfassung. Eine Version in Englisch gibt es hier.

Ein Problem ist die große Heterogenität des föderalen Bildungssystems in Deutschland. Für einen Vergleich der Ergebnisse für die deutschen Bundesländer war die Datenbasis der Studie nicht geeignet.

Je nachdem, was man sich aus den zahlreichen Tabellen und Graphiken der Studie heraussucht, kann man folgern, dass die Fähigkeiten der deutschen Teilnehmer im Mittelfeld liegen ( s. Pressemitteilung des BMBF ).

Diesen Titel wählte die WirtschaftsWoche

Mädchen können besser mit dem Internet umgehen

Schulen haben schlechte Internetverbindungen

Man kann jedoch auch titeln:

Peinliches Studienergebnis für Deutschland

Deutsche Schulen stehen bei der Computernutzung im internationalen Vergleich am Ende der Liste.

Die Zeit zeigt hierzu aus der Studie diese Darstellung von Ergebnisse aus der Befragung der Lehrpersonen.

Seite_34Siehe Seite 34 der Kurzfassung

Diese Aussagen der Lehrpersonen stehen im Wiederspruch zu den Aussagen der Schülerinnen und Schüler.

Seite_37Sieh Seite 37 der Kurzfassung

Offensichtlich kann die objektive Schulwirklichkeit in Deutschland mit Hilfe von subjektiven Einschätzungen durch Schülerinnen und Schülern, Lehrpersonen sowie Schulleitungen nur unzureichend erfasst werden.

Die deutschen Lehrkräfte äußeren mit 75,8% am häufigsten Bedenken, das Schülerinnen und Schüler unreflektiert Inhalte aus dem Internet kopieren. Ob diese Bedenken berechtigt sind bleibt in der Studie offen.

Zur Lehrerkooperation kommt die Studie zu diesen Aussagen.

Lehrerkooperation: Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass Lehrkräfte an
Schulen in Deutschland hinsichtlich aller in ICILS 2013 abgefragten Koopera-
tionsformen (u.a. gegenseitige Unterrichtsbeobachtungen, gemeinsame Entwick-
lung von Unterrichtskonzepten zur Nutzung digitaler Medien) die niedrigsten
Zustimmungsraten aufweisen. Dieser Befund wird auch durch die Einschätzung
der Schulleitungen gestützt. 

Es fehlen Untersuchungen der Rahmenbedingungen die in den verschiedenen Ländern Kooperativität fördern bzw. hemmen.

Die Studie bietet viel Statistik aber wenig Ursachenforschung. Die Kenntnis der Ursachen könnte hilfreich sein.

Quelle der obigen Abbildungen: Kurzfassung Computer and Information Literacy Study
Presseinformationen zur Studie und zu zentralen Ergebnissen
Frei zur Veröffentlichung ab dem 20. November 2014 10:00 Uhr

 

 

 

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